Und warum es hierfür „(Open) Data“ braucht.

Der Einfluss der Digitalisierung auf die Aufgaben einer DMO

Die Abkürzung DMO stand einmal für Destination Marketing Organisation. Die DMO konzentrierte sich auf die Vermarktung der Region mittels klassischer „Push“-Werbekampagnen – Print-, Radio-, Out-of-Home-, Onlinemarketing sowie Presseaktivitäten – , um den potenziellen Gast von der eigenen Region zu überzeugen. Da es wenig alternative Informationsanbieter gab, konnte die DMO das Fremdbild von der Region gut steuern.

Mittlerweile wird eine DMO mehrheitlich als Destination Management Organisation definiert – eine Folge der Digitalisierung und der ebenso damit einhergehenden Veränderungen der Aufgaben einer DMO.

Facebook wurde 2004 gegründet. Das erste iPhone erschien 2007. Seit 2014 können Filme in Deutschland über den Streamingdienst Netflix geschaut werden. Das Spiel Pokémon Go brachte 2016 die Menschen auf die Straße. Im gleichen Jahr erschien in Deutschland der sprachbasierte Assistent Amazon Echo, besser bekannt als Alexa. Seit 2018 kann im Geschäft mit dem eigenen Smartphone über NFC-Technologie (Near Field Communication) bargeld- und kontaktlos bezahlt werden und seit 2019 stehen in vielen Städten E-Scooter zur Nutzung bereit. All dies ist Digitalisierung. Und all dies hat Konsequenzen. Auch für den Tourismus.

  • Digitalisierung ist schnell und hat Einfluss auf alle Lebensbereiche: Die Digitalisierung beeinflusst, wie wir leben. Sie betrifft nicht nur die Kommunikation via Social Media, sie ändert unsere Wohnungseinrichtung, unser Einkaufsverhalten, unsere Fortbewegung, unsere Art des Arbeitens, unser Reiseverhalten. Dabei entstehen ständig neue Anbieter, Angebote und Möglichkeiten. Einen Überblick hierüber zu behalten, wird für Unternehmen zukünftig immer wichtiger, um aktuelle Entwicklungen für sich nutzen zu können.
  • Die Menge an Content und Kanälen nimmt zu: Die Digitalisierung sorgt dafür, dass neben den Unternehmen auch jede individuelle Person Inhalte online stellen kann. Hierdurch entsteht eine stetig wachsende Menge an Content, welche auf unterschiedliche Kanäle verteilt ist. Der Content Schock ist die Folge: Es gibt mehr Inhalte, als der Kunde überhaupt konsumieren kann. Der Kunde wählt zur Inspiration und Information für seine Reise aus dem umfangreichen Angebot die für ihn passenden Inhalte und Kanäle – allerdings nicht unbedingt die Kanäle der DMO. Hieraus folgt, dass andere – vor allem die Gäste selbst – das Marketing übernehmen. Die Steuerungsfunktion der DMO über veröffentlichte Inhalte der Region nimmt somit immer weiter ab und die Distribution der Inhalte rückt verstärkt in den Fokus.
  • Die Abhängigkeit von externen Anbietern wächst: Relevante digitale Kanäle werden meist von großen, global agierenden Playern betrieben (z. B. Facebook), welche mit ihren Algorithmen zum Ausspielen des Contents über eine große Marktmacht verfügen. Gleiches gilt für Suchmaschinen (z. B. Google). Statt Suchtrefferliste mit Verlinkungen zu Websites liefern diese bereits heute konkrete Antworten auf die Fragen der Nutzer. Suchmaschinenoptimierung, um die eigene Website organisch in den Fokus des Kunden zu bekommen, funktioniert somit nur noch bedingt und ist stark von gut aufbereiteten Daten abhängig. Neue Strategien sind notwendig, damit eigene Inhalte beim Kunden landen.
  • Die Produktqualität wird immer entscheidender: Damit touristische Produkte und Angebote in der Region für potenzielle Gäste interessant sind, ist eine überdurchschnittliche Produktqualität notwendig. Diese bildet sich in Bewertungsportalen sowie in den Veröffentlichungen auf Social-Media-Netzwerken ab und überzeugt weitere potenzielle Gäste zu einem Besuch.
    Damit Produkte für große Onlineplattformen interessant sind, ist ebenso eine gute Qualität notwendig – eine gute Datenqualität. Um für beides zu sorgen, ist die Weiterbildung der touristischen Akteure absolut notwendig.

Daten im Lauf der Customer Journey des Gastes

Daten im Lauf der Customer Journey des Gastes

Der Gast kommt während seiner gesamten Customer Journey mit Daten in Kontakt – allerdings kaum auf den Kanälen der DMO. Die Grafik zur Customer Journey zeigt, dass der Gast bereits heute während seiner gesamten Reise auf unterschiedlichen Kanälen mit Daten in Kontakt kommt.

Auch die DMO versucht zunehmend, den Gast während seiner gesamten Customer Journey zu begleiten, doch dafür braucht es die entsprechenden Daten. So muss die DMO den Kunden kreative Produkte und Services anbieten, für welche der Kunde bereit ist, im Gegenzug seine persönlichen Daten Preis zu geben. Um diese Produkte und Services zu gestalten, benötigt die DMO wiederum die Daten aus der Region von POIs, Events, Besucherströmen etc. Aktuell bilden meist Gästekarten oder entsprechende Apps diese Schnittstelle zwischen Kundendaten und Destinationsdaten.

Die neuen Aufgaben einer DMO

Um mit der Digitalisierung Schritt halten zu können, muss die DMO den Akteuren in der Region Leadership bei digitalen Themen vorleben. Gleiches gilt für die die Führungsebene der DMO in Richtung des eigenen Teams. Hierfür ist eine grundsätzlich offene Haltung notwendig, die positiv auf neue Entwicklungen reagiert und neugierig auf diese ist. Die Ergebnisse digitaler Entwicklungen sind nicht immer vorhersehbar, weshalb darüber hinaus Vertrauen in das eigene Team sowie eine offene Fehlerkultur grundlegend sind.

Die DMO muss dafür sorgen, dass passende und richtige Informationen auf allen Kanälen verfügbar sind und dass diese sowohl von den verschiedenen Plattformen als auch den (touristischen) Akteuren der Region genutzt werden können. Statt des Marketings auf eigenen Kanälen wird die DMO somit zum Kurator und Vertreiber bestehender Inhalte sowie zum Verantwortlichen für die Qualitätssicherung.

Innerhalb der Region muss das Wissen über neue Trends und Entwicklungen sowie die Anforderungen an die Erhebung und Pflege von Daten geteilt werden. Die DMO ist deshalb in zunehmendem Maße für die „digitale“ Weiterbildung der (touristischen) Leistungsträger verantwortlich. Dabei gilt es, sowohl das generelle Wissen als auch die praktische Anwendung zu vermitteln. Netzwerke und gemeinsame Angebote mit Organisationen wie DEHOGA, den IHKn etc. sind notwendig, um Vor-Ort-Seminare und individuelle Coachings, sowie ebenso ortsunabhängige Webinare oder E-Learning-Angebote anbieten zu können.

Es geht jedoch nicht nur um Weiterbildung in Bezug auf Trends und aktuelle Entwicklungen. Da die Produktqualität immer entscheidender und transparenter ist, muss die DMO die Leistungsträger dabei unterstützen, hochwertige Erlebnisse vor Ort zu gestalten. Danach gilt es, – mit Hilfe von Daten – passende Angebote miteinander zu verknüpfen und die Besucher entsprechend zu lenken. Hierfür sind Live-Daten über Besucherzahlen und -ströme notwendig, die Aussagen zur Auslastung der Betriebe geben. Die DMO sollte die Leistungsträger bei der Generierung der Daten unterstützen sowie diese monitoren und in Wert setzen.

„Open Data“ unterstützt die DMO bei ihren neuen Aufgaben

  • Die Inhalte erreichen den Gast: Konkrete Antworten auf Anfragen in smarten Assistenten oder Suchmaschinen, integrierte Daten in (touristischen) Apps oder auch die Anzeige der Daten auf Screens in Hotels oder in der Tourist-Information sind ein Ergebnis von Open Data. Das Strukturieren der Daten sorgt dafür, dass diese auch für zukünftige Technologien nutzbar sind. Die erhobenen Daten erhalten somit mehr Kontaktpunkte mit dem Gast und unterstützen verbesserte Informations- und Serviceangebote. Grundlage hierfür ist, dass offene Daten auf verschiedenen Ausgabegeräten und -kanälen angezeigt werden können und losgelöst von den eigenen Kanälen der DMO einsetzbar sind.
  • Höhere Reichweite: Mit gleichem Aufwand für die Produktion der Inhalte werden mehr Nutzer erreicht. Dank der einheitlichen Strukturierung und fehlender Einschränkungen der Nutzungsrechte können offene Daten durch eine Vielzahl von Playern genutzt werden: touristische Leistungsträger vor Ort, Partner, Global Player, Startups usw.
  • Neue Produkte & Services: Das Verknüpfen von frei verfügbaren Daten bietet ganz neue Möglichkeiten der Angebotsgestaltung: Beispielsweise ist es möglich, aus kombinierten Wetterdaten und Gästezahlen der Vergangenheit eine automatisierte Bewerbung von Erlebnissen entsprechend der aktuellen Wettervorhersage und Auslastung zu erstellen. Eine Umfeldsuche vor Ort liefert konkrete Tipps basierend auf aktuellen Öffnungszeiten und den Vorlieben des Gastes. Die Kombination aus Wetterdaten mit Besucherströmen sorgt für eine zukünftig bessere Besucherlenkung. Gerade die – vorab nicht unbedingt vorhersehbare – Kombination von Daten miteinander, kann die Grundlage für neue Produkte und Services bilden.
  • Weniger Kosten: Mehrere Partner können die gleichen Daten nutzen (z. B. Texte, Fotos, Videos, aber auch Adress-, Routendaten etc.), die von einem Unternehmen bzw. einer Organisation eingekauft oder produziert wurden. Somit entstehen nur einmalige Kosten für die Produktion, Speicherung und Pflege der Daten. Der Einsatz von Open Data sorgt somit für volkswirtschaftliche Mehrwerte in der gesamten Region.
  • Mehr Effizienz durch die Nutzung externer Daten: Mehrwerte von Open Data ergeben sich für eine DMO jedoch nicht nur durch die Verbreitung und Nutzbarmachung eigener Daten. Ebenso können externe offene Daten zur Steigerung der Effizienz innerhalb der eigenen Organisation beitragen. Das können beispielsweise angepasste Inhalte auf der eigenen Website oder im E-Mail-Newsletter basierend auf aktuellen Wetterdaten sein.

Der Weg der Daten von der DMO hin zum Gast

Der Weg der Daten von der DMO hin zum Gast

Wie Daten beim Gast landen.

Schaut man sich die umfangreiche Bedeutung von Daten für die Arbeit einer DMO im Rahmen der sich abzeichnenden Digitalisierung an, wird deutlich, dass sich die DMO hin zu einer Data Management Organisation entwickelt. Entsprechend muss die DMO die mit diesem Thema verbundenen Aufgaben für sich annehmen und die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen: Das Wissen um die wichtigsten Aspekte entlang der digitalen Wertschöpfungskette wird künftig über den (digitalen) Erfolg einer Destination entscheiden.

Kristine Honig, Realizing Progress

Kristine Honig

Realizing Progress

Kristine Honig ist Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Realizing Progress (früher Tourismuszukunft). Sie berät und unterstützt touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, beim Thema Storytelling und bei der Organisation von Barcamps.

Mehr zur Person unter: https://www.realizingprogress.com/kristine-honig