Wie Konversations-KI die Kommunikation im Tourismus verändert
Mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Digitalisierung steigt der Bedarf an intelligenten Suchfunktionen und Chatbot-Lösungen. Liegen den Anwendungen gut strukturierte und offene Daten zugrunde, könnte Konversations-KI die Kommunikation im Tourismus verändern.
Für viele, gerade jüngere Menschen, ist die Nutzung von Sprach-Schnittstellen inzwischen selbstverständlich – Tippen wird zunehmend als lästig empfunden. Der Zugang zu touristischen Daten und Diensten in natürlicher Sprache hat entsprechend ein hohes Zukunftspotential für touristische Anwendungen mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz (KI). Es wird erwartet, dass intelligente Sprachmodule in alle Arten von Anwendungen Einzug halten werden, z.B. Sprachassistenten wie Alexa und Siri in der Wohnung oder im Büro, beim Dialog mit Assistenten im Auto (mit ähnlichen Dialog-Funktionen wie die Sprachassistenten im heimischen Umfeld), Telefonassistenten für den Kundenservice (First-Level-Support), Chatbots und weitere Anwendungen, die im touristischen Kontext heute noch in der Erprobung sind, wie das Metaverse oder AR-/VR-Anwendungen.
Touristische Dienstleistungen sind schwer greifbar und können vorab nicht getestet werden, weshalb die Gäste vor Reiseantritt einen erhöhten Informationsbedarf haben. Angebote oder die Aktivitätenplanung während des Urlaubs werden häufig durch die Gäste selbst oder auf Empfehlung einer Tourist Information geplant, sodass Kunden aktive Mitgestalter (Co-Creator) ihres Urlaubserlebnisses sind. Dies führt dazu, dass touristische Dienstleistungen beschreibungsintensiv sind und diese Informationen ein wichtiger Aspekt der Reiseentscheidung sind. Mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel und die Digitalisierung insgesamt, nimmt der Bedarf an intelligenten Suchfunktionen und Chatbot-Lösungen, die einfache Anfragen schnell und präzise beantworten können, entsprechend zu.
Der Zugang zu touristischen Daten und Diensten wird folglich in naher Zukunft immer öfter über die natürliche Sprache erfolgen, da die Technologie der Spracherkennung und -wiedergabe inzwischen ausgereift und der Austausch über Sprache Teil unserer natürlichen menschlichen Interaktion und Kommunikation ist. Bedienelemente wie Tastatur oder Maus kann man daher als Brückentechnologie ansehen. Web-Browser und andere Applikationen unterstützen bereits heute die Eingabe via Sprache. Die Verarbeitung von vollständigen korrekten Sätzen liefert in Google oftmals bessere Ergebnisse als die reine Keyword-basierte Suche. Bevor wir etwas hinter die Kulissen der Daten und zugrundeliegenden Technologie schauen, ein Praxisbeispiel:
Die Suche nach einer geeigneten Radtour stellt Gäste noch immer vor eine Herausforderung. Die simple Frage: “Ich möchte morgen von hier eine Radtour machen. Sie soll maximal drei Stunden dauern und für die Kinder unterwegs eine schöne Spielmöglichkeit bieten. Anschließend möchten wir ein leckeres Eis essen gehen.”, kann ein Mitarbeiter der Touristinfo im Handumdrehen beantworten, erfordert aber für den Gast mehrere Google Suchen oder die Verwendung von spezifischen Apps. Die Ergebnisse sind oft unvollständig und zum Teil veraltet, z.B. bei der Frage, ob die Eisdiele wirklich geöffnet hat.
Wie kann nun eine Konversations-KI diese Frage beantworten?
Eine Konversations-KI kann Fragen, wie oben beschrieben, in ihre Bedeutungselemente (Suchintentionen) zerlegen sowie deren Zusammenhänge erkennen. Dies funktioniert umso besser, je umfangreicher die KI vorab mit dem entsprechenden Faktenwissen (z.B. aus einem Knowledge Graph) trainiert wurde. Die Antwort wiederum kann aus einem Knowledge Graph generiert werden. Knowledge Graphen, wie Google zeigt, bieten eine geeignete Technologie, um Daten in einfacher und flexibler Form zu beschreiben, zu verlinken und dieses Faktenwissen durch einheitliche Semantik konsistent abzubilden.
Um möglichst plausible Daten zu erhalten, ist es sinnvoll, die Daten lokal zu erfassen und in einem Knowledge Graph zu aggregieren. Mittels KI-Algorithmen lässt sich die Datenqualität dann weiter verbessern:
An stark frequentierten Stellen sind ergänzende Informationen zur Auslastung (Live oder in Form von Prognosen) sinnvoll, wie dies aktuell bereits im bundesweiten Verbundprojekt AIR (AI-basierter Recommender für nachhaltigen Tourismus) sowie im ähnlich angelegten Projekt LAB-TOUR SH (Landesweites Digitales Besuchermanagement für den Tourismus in Schleswig-Holstein) erfolgt.
Für solche Anwendungen ist eine einheitliche “Sprache” der Daten in Form von offenen und interoperablen Datenmodellen, die über einfache Austausch-Formate hinausgehen, zwingend erforderlich. Genau dies ist der Ansatz vieler bundesweiter und europäischer Initiativen, die sich damit beschäftigen, standardisierte offene Datenmodelle zu entwickeln, die die Basis bieten, damit sich eine Konversations-KI stets derjenigen Daten bedienen kann, die sie für die jeweilige Suchintention benötigt.
Der Einsatz von Sprachassistenten und Chatbots ist dabei vielfältig: Die Website kann mit diesen Werkzeugen ausgestattet werden, da sie bereits als Kontaktpunkt mit den Gästen verwendet wird. Während der Reise kann die Sprachapplikation auf Access Points von öffentlichem WLAN installiert sein oder als Sprachassistent in der Touristinfo fungieren. Der Sprachassistent wird auch um Mitternacht Rede und Antwort stehen und Details zum Wetter oder zu Touren für den nächsten Tag kommunizieren. Jene Gäste, die in Zukunft lieber ihre Reiseplanung im Metaverse oder ähnlichen virtuellen Anwendungen vornehmen, werden sich über die Interaktionen mit den Avataren freuen. Um das bestmögliche Erlebnis zu bieten, können Ausgabekanäle kombiniert werden. Die komplementäre Bildschirmdarstellung einer Radtour, die von einem Sprachassistenten vorgeschlagen wurde, kann durchaus hilfreich sein.
Jeder Chatbot oder Sprachassistent wird jedoch nur so gut sein, wie die ihm zugrunde liegenden Daten. Qualität und Aktualität sind ein wichtiger Faktor. Durch die zunehmende maschinelle Verarbeitung der Daten sowie deren Verlinkung und Auswertung sind international etablierte Datenmodelle, die eine einheitliche Semantik garantieren, wichtige Bestandteile.
Prof. Dr. Michael Prange
Fachhochschule Kiel
Prof. Dr. Michael Prange ist Professor für Data Science und Projektleiter für die Verbundprojekte AIR und LAB-TOUR SH an der Fachhochschule Kiel.
Mehr zur Person unter: fh-kiel.de