Durch die Corona-Pandemie rückt das Thema Besucherlenkung in den Fokus. In Tourismusregionen müssen Hygiene- und Abstandsregelungen eingehalten werden. Dies führt an vielen Stellen zu verringerten Kapazitäten. Das aktive Besuchermanagement war vor dem Hintergrund der Diskussion um Overtourism und Nachhaltigkeit bereits ein wichtiger Faktor und wird es insofern künftig noch mehr sein. Besucher müssen in Bereiche, die noch Gäste aufnehmen können gelenkt werden und müssen zudem frühzeitig informiert werden, wenn die Kapazitätsgrenzen an einem Ort erreicht sind. So können sich Tourismusorte zum einen nach außen als sichere und gut gemanagte Destinationen profilieren und zum anderen kann Frustration bei Gästen vermieden werden, indem in Echtzeit nachvollzogen werden kann, wo Ausflüge noch möglich sind und wo nicht.
Eine solche Steuerung kann durch digitale Hilfsmittel gelingen. Die Ostfriesischen Inseln beispielsweise haben hier eine gemeinsame Lösung für die Reservierung von Restaurantbesuchen oder Sehenswürdigkeiten entwickelt, bei der sich Gäste lediglich einmal registrieren müssen.
Diese innovative Anwendung wurde auch deshalb notwendig, weil aufgrund von COVID-19 Auflagen inselübergreifend das Besucheraufkommen nachgewiesen werden musste. Es gibt eine eigene Anwendung je Insel und es ist eine Integration der Lösung auf den Websites der Partner möglich. So können an unterschiedlichen digitalen Orten Reservierungen zentral gebündelt werden. Dies hat den Vorteil, dass Besucher Alternativen aussuchen können, sollte ein Restaurant ausgebucht sein, wodurch es zu einer besseren Verteilung von Gästen auf den Inseln kommen kann. Die Leistungsträger erhalten dann täglich eine Mail über den Stand der Reservierungen und der Gast erhält seinerseits eine Erinnerung. Es können Listen zur Nachverfolgung von Infektionsketten auch aus dem System exportiert und an Gesundheitsämter übermittelt werden.
Ein weiteres Beispiel für Niedersachsen bietet das Wangerland, wo das Besuchsaufkommen an Strandzugängen und Tourist-Informationen mittels Wifi-Zählern gemessen wird. Die Daten können bereits jetzt in den Niedersachsen Hub übernommen werden, da die softwareseitigen Voraussetzungen bereits erfüllt sind.
Die Daten werden dann in Echtzeit auf die vor Ort installierten Infostellen (Touchmonitore) ausgespielt. Mittels eines Ampelsystems können Gäste so direkt nachvollziehen, ob ein Strandabschnitt oder eine Tourist-Information wenig besucht (grün), mäßig besucht (gelb) oder stark besucht (rot) ist. Die Daten können dann auch auf andere Weise ausgespielt werden, wie das Beispiel der Tourist-Information von Horumersiel zeigt.
Ein Ausbau dieses Systems ist im Gespräch. So wäre es möglich, an Ein- und Zugängen Bewegungssensoren oder Lichtschranken zu installieren, oder Kameras, die anonymisiert die Anzahl von Besuchern oder parkenden Autos aufnehmen.
Eine landesweite Datenbanklösung wie der Niedersachsen Hub vereinfacht die Umsetzung solcher Systeme, da sie Informationen bündeln und einheitlich aufbereitet vorhalten, sodass auf dieser Basis weitere Datenquellen integriert werden können. Eine Verschneidung mehrerer Systeme, damit Daten zukünftig nur an einer Stelle zentral gepflegt werden, kann eine logische Konsequenz daraus sein, die viele Mehrwerte für unterschiedliche Akteursgruppen bieten kann.
Die so erhobenen dynamischen Echtzeitdaten können mit statischen und offenen Daten wie der Beschreibungen von Schwimmbädern, Parks, Stränden usw. verbunden werden. Gebündelt werden können alle Daten im Niedersachsen Hub. Dort können sie dann in unterschiedlicher Art ausgespielt werden. Dies gilt sowohl für die Übermittlung an unterschiedliche Benutzeroberflächen wie PWAs auf Touchmonitoren, Smart TVs in Ferienwohnungen und Hotels oder auch auf den Endgeräten der Gäste mittels einer Willkommensseite im kostenfreien WLAN-Hotspot der Destination. Hierbei kann zwischen der reinen Information, der Information zur Beeinflussung (Nudging) sowie der Restriktion (Verbot oder Sperrung) differenziert werden.
Destinationen stehen hierbei unterschiedliche Möglichkeiten der aktiven Besucherbeeinflussung zur Verfügung. Es kann eine zeitliche Verteilung durch Vorabbuchungen wie auf den Ostfriesischen Inseln angestrebt werden, durch dynamische Preise die Nachfrage beeinflusst werden oder es können gezielt temporäre Attraktionen (Veranstaltungen) initiiert werden, um bei hoher Nachfrage Alternativen zu schaffen. Ein Ampelsystem wie im Wangerland kann als Basisanwendung zusätzlich zur Verfügung stehen.
Nicht zuletzt kann durch Inszenierung sowohl die Attraktivität eines Ortes erhöht werden als auch die Lenkung der sich vor Ort befindlichen Besucher. Mittels innovativen Ansätzen kann ein Ort spielerisch (Stichwort: Gamification) über eine Schnitzeljagd (Geocaching), durch Formen von Escape Room Spielen, oder mittels Themenrouten erkundet werden.
Eric Horster
Fachhochschule Westküste
Eric Horster ist Professor an der Fachhochschule Westküste im Bachelor- und Masterstudiengang International Tourism Management (ITM) mit den Schwerpunktfächern Digitalisierung im Tourismus und Hospitality Management. Er ist Mitglied des Deutschen Instituts für Tourismusforschung.
Mehr zur Person unter: www.eric-horster.de