Eine digitale Infrastruktur für Gäste.

Dem veränderten Verhalten der Gäste müssen sich Destinationsmanagementorganisationen (DMO) anpassen. Für eine DMO ist die Etablierung einer digitalen Infrastruktur entscheidend für die Zukunft. Diese Infrastruktur bezieht sich aber schon lange nicht mehr nur auf eine moderne Website. Gäste informieren sich über den Urlaubsort auf unterschiedlichen Kanälen, sind mit ihrem Smartphone, Tablet oder Laptop auch am Urlaubsort online und buchen zusätzliche Leistungen direkt dort. Die Gäste sollten daher digital da abgeholt werden, wo sie sich bewegen. Bei der digitalen touristischen Infrastruktur lassen sich drei zentrale Elemente unterscheiden: Digitale Ausstattung, Dateninfrastruktur und digitale Anwendungen.

Eine digitale Infrastruktur für Gäste

Eine digitale touristische Infrastruktur kann in digitale Ausstattung, Dateninfrastruktur und digitale Anwendungen unterteilt werden.

Digitale Ausstattung

Damit digitale Services genutzt werden können, muss der Datenaustausch gewährleistet sein. Eine gute Internetversorgung ist dabei elementar, aber längst kein Standard in ländlichen Tourismusregionen. Für den Gast sind kostenfreie WLAN-Hotspots daher umso wichtiger. Zur Ausstattung gehören auch Transponder (Lesegeräte) für die digitale Zutrittskontrolle zu Ausflugszielen wie Schwimmbädern oder Skipisten. Zudem sollte die Möglichkeit bestehen, digital mit dem Smartphone zu bezahlen – sei es die Strandkorbmiete oder das Après-Ski-Getränk. An Bedeutung gewinnen wird künftig auch Sensorik in Form von Sendern, die Parkplatzbelegungen oder Auslastungen von Restaurants in Echtzeit messen und an digitale Anwendungen weiterleiten.

Die Grundvoraussetzung für die Nutzung digitaler Services kann in ländlichen Tourismusorten über WLAN-Hotspots geschaffen werden.

Dateninfrastruktur

Die digitalen Hardwaresysteme sind aber nur dann für Gäste von Nutzen, wenn eine entsprechende Datenqualität gegeben ist. Gute Daten zeichnen sich insbesondere durch ihre Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität aus. Zudem sollten redaktionelle Inhalte natürlich hochwertig erstellt werden, damit die Destination entsprechend gut digital präsentiert wird.
Im Fokus stehen bei der Dateninfrastruktur für die Destination alle Angaben, die für die Orientierung am Urlaubsort selbst wichtig sind. Es ist dabei irrelevant, wo Gäste die Daten abrufen. Sie sollten in die Lage versetzt werden, die Informationen auf allen wichtigen eigenen und fremden Kanälen abzurufen, ihre unterschiedlichen „digitalen Gewohnheiten“ sollten also immer berücksichtigt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Daten so aufbereitet werden sollten, dass sie unabhängig vom Ausgabemedium sind und mithin auf allen erdenklichen Kanälen zur Verfügung stehen. Hierzu müssen die Daten in einer Weise strukturiert werden, dass sie maschinenlesbar sind sowie in einem offenen Standard und frei lizenziert bereitstehen. Dann können sie mit anderen in Beziehung gesetzt (Vernetzung) und unabhängig vom jeweiligen Ausgabegerät ausgespielt werden.

Daten sollten so aufbereitet sein, dass sie unabhängig von Ausgabekanal und lizenzrechtlichen Beschränkungen ausgespielt werden können.

  • Ein digitales Beschilderungskonzept

    Die Dateninfrastruktur kann mit einer realen Beschilderung am Urlaubsort verglichen werden. Angaben zu Hotels (Hotelroute), Sehenswürdigkeiten oder öffentlichen Sanitäranlagen sind ein Muss – dies sollte auch im digitalen Raum gelten, da das Web zunehmend die Informations- und Buchungsquelle der Gäste ist.

Digitale Anwendungen

Digitale Anwendungen sind Apps, Sprachassistenten, Websites usw. Sie können entweder von der Destination selbst bereitgestellt werden oder es sind fremde Anwendungen (beispielsweise Google Maps). Alle digitalen Touchpoints, mit denen Gäste in Berührung kommen, wirken sich auf das Gesamterlebnis aus. Anwendungen sind die Schnittstelle zum Gast, sie verbinden die Dateninfrastruktur mit der digitalen Ausstattung und setzen sie in Wert.

Digitale Anwendungen bilden die Schnittstellen zu den Gästen.

Gästekarte als Generalschlüssel

Am Beispiel der digitalen Gästekarte lässt sich sehr gut illustrieren, wie die Angebote einer Destination in digitale Services überführt werden können. Die traditionelle Gästekarte kann dabei ein zentrales strategisches Instrument werden, wenn sie eine digitale Ergänzung erhält. Sie kann weiterhin als reale Karte angeboten werden, damit Gäste nicht irritiert werden und ihre Gewohnheiten beibehalten können. Gleichzeitig kann für diejenigen Gäste, die digital routiniert sind, die Möglichkeit gegeben werden, das digitale Endgerät als Ersatz für die Gästekarte zu nutzen. Die parallele Nutzung von Gästekarte und Smartphone ist möglich, wenn komplementär eine Anwendung in Form einer nativen App, einer Progressive Web App (PWA) oder aber einer mobilen Website angeboten wird, über die zusätzliche Services und Informationen integriert werden können. Über das digitale Gegenstück sollte ein Log-in erfolgen, damit über die Identifikation Daten der Nutzer (nach ihrer Einwilligung) erfasst werden können.

Die Gästekarte haptisch und digital

Eine digitale Gästekarte kann in Form einer physischen Karte, auf dem Smartphone oder der Smartwatch angeboten werden. Wichtig ist eine komplementäre digitale Anwendung, über die zusätzliche Services offeriert werden können.

Die digitale Gästekarte kann von Gästen als Generalschlüssel in der Destination genutzt werden.

  • Bezahlung
    Die digitale Gästekarte schafft Bezahlmöglichkeiten am Urlaubsort. Mit ihr werden sämtliche an die Gästekarte angeschlossenen Leistungen gekauft und Rabatte bei den Eintrittsgeldern gewährt. Für die DMO ist es wichtig, dass alle teilnehmenden Partner, die die Nutzung der Gästekarte ermöglichen, ein entsprechendes Lesegerät vorhalten, um das Bezahlen auch digital zu ermöglichen.

  • ÖPNV
    Beim Zugang zum öffentlichen Nahverkehr stellen Gästekarten oftmals eine wichtige Basisleistung dar. Der Zugang zu Bussen und Bahnen sollte daher so einfach wie möglich gestaltet werden. Im Idealfall ist der Zugang direkt mit der Gästekarte möglich. Auch neue Mobilitätskonzepte wie Carsharing, E-Scooter- und/oder E-Bike-Verleih können über die Gästekarte integriert werden.

  • Eintrittskarte
    Die rabattierte Möglichkeit zur Online-Buchung von Ausflugszielen kann über eine komplementäre digitale Anwendung einen großen Mehrwert für die Gäste bedeuten. Ergänzende Funktionen wie Routenführung zum Ausflugziel, Informationen zur besten ÖPNV-Verbindung oder zu alternativen Ausflugszielen können bei einer solchen digitalen Anbindung den Service deutlich erweitern.

  • Zimmerschlüssel
    Wenn die Gästekarte in einem Hotel ausgegeben wird, ist es sinnvoll, dass mit ihr auch die Zimmertür geöffnet werden kann. So bekommen Gäste eine „One fits all“-Lösung. Alternativ ist es auch möglich, dass eine separate Anwendung dafür genutzt wird, wenn sie ebenfalls auf dem Smartphone verfügbar ist.

Über die digitale Ergänzung können in der Gästekarte Zusatzfunktionen wie Routenführung oder Alternativangebote integriert werden.

Die Rolle der DMO

Die vielschichtigen Veränderungen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, erfordern auch eine Veränderung der DMO selbst. Die DMO wird zum Impulsgeber, Netzwerkknoten und nicht zuletzt Know-how-Träger, der durch Wissensvermittlung dazu beiträgt, ein „Digital Mindset“ in die Region zu tragen und eine Vision für die Zukunft zu entwickeln.

  • Wissensvermittlung
    Die DMO baut bei allen Akteuren eine Digitalkompetenz auf. Dazu muss sie sich zum einen selbst Know-how aneignen und zum anderen das Wissen flächendeckend in die Region tragen, beispielsweise durch Train-the-Trainer-Konzepte. So wird sie zum Wissens-Hub der Region.

  • Netzwerkbildung
    Neben der reinen Wissensvermittlung ist es wichtig, dass Netzwerke etabliert und ausgebaut werden. Bei der Etablierung der digitalen Infrastruktur findet ein Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren statt, sodass es hier bereits zur Vernetzung kommt. Es entstehen Ideen für den Austausch von Daten und eine Innovationskultur zur Entwicklung von prototypischen Anwendungen, die über Regionengrenzen hinausgehen.

  • Impulse geben
    Die DMO muss dabei nicht alle Aufgaben selbst übernehmen. Wichtig ist, dass sie Impulse für die Region gibt. Da der Tourismus eine Querschnittsbranche ist, gilt es, diese Impulse bei unterschiedlichen Anspruchsgruppen wie ÖPNV, Ministerien oder Stadtplanern einzubringen.

Mit Begeisterungsleistungen Gäste nachhaltig beeindrucken

Eine Gästekarte kann durch die Erweiterung digitaler Komponenten als Schnittstelle für unterschiedliche Services innerhalb der Destination dienen. Kernleistungen sind meist der kostenfreie Nahverkehr und der rabattierte oder sogar kostenfreie Zugang zu Attraktionen der Region wie Skipisten, Schwimmbädern oder Museen. Mit diesen Kern-leistungen können durch die Möglichkeiten der Digitalisierung unzählige Zusatz- und Begeisterungsleistungen entwickelt werden. Die Gästekarte ist dabei das Herzstück, mit ihr wird bezahlt, sie stellt den rabattierten Zugang zu Ausflugszielen, ÖPNV, Carsharing usw. sicher. Ein niederschwelliger Zugang zur Gästekarte ist von Vorteil, damit sie eine möglichst hohe Verbreitung findet. Je mehr Gäste die Karte nutzen, desto attraktiver und wichtiger ist sie für die Region und ihre Gäste.
Für die DMO kann eine gut funktionierende digitale Gästekarte ein wichtiges Steuerungselement bei der Besucherlenkung und beim Management der Leistungsträger sein.

Kundenzufriedenheit Gästekarte

Je mehr mit der Gästekarte über die Kernleistungen hinaus angeboten werden kann, desto höher kann die Kundenzufriedenheit ausfallen. Unerwartete Leistungen können Gäste begeistern.

Beispiele für Zusatzleistungen

  • Günstig parken
    Wer eine Gästekarte besitzt, kann auf bestimmten Parkplätzen kostenfrei parken. So ist eine Besucherlenkung möglich und ein Crowding wird vermieden.

  • Gästekarte gegen Autoschlüssel
    Wer seinen Autoschlüssel für die Dauer seines Aufenthalts abgibt, bekommt die Gästekarte gratis. Damit können Gäste dann auf ein umfangreiches Mobilitätsangebot zurückgreifen und erhalten zudem die beste Routenführung über die digitale Anwendung der Gästekarte.

  • Mobility Sharing
    Die Destination hält eine Flotte von E-Autos, E-Scootern, E-Bikes, Fahrrädern usw. vor. Wer die Gästekarte besitzt, darf die Angebote vergünstigt nutzen. Als Schlüssel und zur Abrechnung dient die digitale Gästekarte.

Beispiele für Begeisterungsleistungen

  • Personalisierte Angebote
    Über die Gästekarte werden automatisiert Echtzeitempfehlungen an Gäste gesendet, die zu einem klimafreundlicheren Verhalten animieren. Ein Algorithmus „lernt“ dann, worauf die Gäste reagieren, und erstellt so zunehmend personalisierte Angebote.

  • Destination spielend erobern
    Spannende Themenrouten werden in der digitalen Gästekarte hinterlegt. Die einzelnen Punkte der Route werden mit dem Fahrrad erobert. Der Nachweis läuft via GPS-Tracking des Fahrrads. Diese digitale Schnitzeljagd verbindet nachhaltiges Verhalten, Edutainment und Gamification.

  • Punkte sammeln
    Wer nachhaltige Mobilitätsangebote wie ÖPNV oder Fahrrad nutzt, wird mit digitalen Coins belohnt. Sie können dann als zusätzlicher Rabatt bei Freizeiteinrichtungen genutzt werden.

Zentrale Erkenntnisse

  • Eine digitale Destination umfasst drei Ebenen: Digitale Ausstattung, Dateninfrastruktur und digitale Anwendungen.

  • Eine Dateninfrastruktur ist vergleichbar mit einem guten Beschilderungskonzept: Sie gibt Gästen eine digitale Orientierung.

  • Die digitalen Touchpoints entscheiden in Summe über das Gesamterlebnis der Gäste.

  • Eine digitale Gästekarte kann ein Generalschlüssel für Gäste im Urlaub sein.

  • Eine digitale Gästekarte kann als strategisches Element für die Steuerung von Gästen und Leistungsträgern gleichermaßen eingesetzt werden.

  • Die Etablierung einer digitalen Infrastruktur kann eine zentrale Zukunftsaufgabe von DMO werden.

  • Die DMO nimmt die Rolle eines Know-how-Trägers, Netzwerkknotens und Impulsgebers ein und etabliert ein Digital Mindset in der Region.

Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT)

Eric Horster

Fachhochschule Westküste

Eric Horster ist Professor an der Fachhochschule Westküste im Bachelor- und Masterstudiengang International Tourism Management (ITM) mit den Schwerpunktfächern Digitalisierung im Tourismus und Hospitality Management. Er ist Mitglied des Deutschen Instituts für Tourismusforschung.

Mehr zur Person unter: www.eric-horster.de

Kristine Honig, Tourismuszukunft

Kristine Honig

Realizing Progress

Kristine Honig ist Beraterin und Netzwerkpartnerin bei Realizing Progress (früher Tourismuszukunft). Sie berät und unterstützt touristische Unternehmen bei ihrer Strategie, beim Thema Storytelling und bei der Organisation von Barcamps.

Mehr zur Person unter: https://www.realizingprogress.com/kristine-honig

Elias Kärle, Universität Innsbruck

Elias Kärle

Universität Innsbruck

Elias Kärle ist Wissenschaftler an der Universität Innsbruck. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Knowledge Graphs, Linked Data und Ontologien. Als Vortragender referiert er meist zur Anwendung und Verbreitung semantischer Technologien im Tourismus.

Mehr zur Person unter: https://elias.kaerle.com/