Ein Capgemini-Report im Auftrag der EU-Kommission zeigt: Der Open Data-Reifegrad der 27 EU-Länder ist im Zuge der Pandemie um 10 Prozentpunkte gestiegen. Deutschland steigt erstmals in die Top Ten auf.
In diesen Wochen erreicht das Open Data-/Knowledge Graph-Projekt für den Deutschlandtourismus den nächsten Meilenstein. Nach dem Audit zum Status verfügbarer Daten und der technischen Konzeption ist die Infrastruktur des Knowledge Graphen jetzt aufgebaut und der Upload der Daten in vollem Gang. Mit dem Import ausgewählter Testdaten von Landesmarketing organisationen und Magic Cities können erste Funktionen getestet werden. Drei wesentliche und miteinander verzahnte Argumente waren ausschlaggebend, das Gesamtprojekt zu initiieren und sind heute ebenso essenziell, das Projekt auch in Zukunft intensiv voranzutreiben.
- Daten sind heute der wichtigste Rohstoff über alle Wirtschaftszweige hinweg.
- Um einen Mehrwert für den Deutschlandtourismus zu generieren, müssen Daten miteinander verknüpft werden; erst diese Relationierung ermöglicht den notwendigen Ausstieg aus den bestehenden Silos.
- Der wirtschaftliche Wert offen verfügbarer Daten entwickelt eine starke Dynamik und wird damit zum Wettbewerbsfaktor.
Digitale Daten sind in den vergangenen Jahren in allen Lebensbereichen zu einem zentralen Faktor geworden. Ob in der Industrie, in der Wissenschaft, in der öffentlichen Verwaltung – Daten sind der Treibstoff digitaler Prozesse und Geschäftsmodelle. Ohne Daten würde die weltweite Logistik zum Stillstand kommen – auch die Mobilität von Menschen und damit der Tourismus.
Entsprechend hoch schätzen Experten die Entwicklung des wirtschaftlichen Wertes von Daten ein. Ein Beispiel: Der Vizepräsident der EU-Kommission, Andreas Ansip, zuständig für den digitalen Binnenmarkt, prognostiziert, dass allein in der EU „der wirtschaftliche Gesamtwert der Informationen des öffentlichen Sektors und der Daten öffentlicher Unternehmen voraussichtlich von 52 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 194 Milliarden Euro im Jahr 2030 ansteigen“ wird. Diese hohe wirtschaftliche Relevanz spiegelt die Datenstrategie der Bundesregierung wider, die Anfang des Jahres durch das Bundeskabinett verabschiedet wurde. Die dort definierten Handlungsfelder – Dateninfrastrukturen leistungsfähig und nachhaltig ausgestalten, innovative und verantwortungsvolle Datennutzung steigern, Datenkompetenz erhöhen und Datenkultur etablieren sowie den Staat zum Vorreiter machen – dienen seit jeher als Leitlinien bei der Entwicklung und Realisation des Open Data-/Knowledge Graph-Projektes für den Deutschlandtourismus.
„Daten sind der Treibstoff digitaler Prozesse und Geschäftsmodelle.“
Es geht darum, den Kunden abzuholen und entlang seiner gesamten Customer Journey zu begleiten – mit Inspiration, praktischer Hilfe und zusätzlichen Services. So begegnen Kunden heute bereits bei Reiserecherchen KI-Anwendungen mit Conversational Interfaces und Recommendersystems. Beispielsweise können KI-gestützte Chatbots Kundenanfragen rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr beantworten, dabei mit Hilfe von KI die Frageabsichten der Kunden immer besser erkennen und so ihre Nutzerfreundlichkeit eigenständig verbessern.
Dynamic Pricing und Churn Prediction sind integrale Bestandteile im Buchungsprozess. So bietet das ‚Safe Travel Ecosystem‘ des DZT-Mitglieds Amadeus über eine digitale Traveler-ID-Schnittstellen von Covid-Testings zu den verschiedensten Anwendungen, mit denen die Sicherheit des Reisens entlang der Wertschöpfungskette erhöht werden kann. Das eigentliche Reiseerlebnis kann durch die Einbindung immersiver Technologien (Virtual, Augmented und Mixed Reality) eine neue Qualität gewinnen. In der Nachbereitung und Reflexion der Reiseerlebnisse legt der Kunde über Preference Profiling und Review Analysis die Basis für neue Inspiration und Reiseideen, die ihm wiederum über Conversational Interfaces, zum Beispiel Sprachassistenten, zugespielt werden.
Ein großer Teil dieser Customer Journey wird heute bereits immer stärker von Global Playern geprägt. So nutzen die Online Travel Companies (OTC) verstärkt KI-Anwendungen, um einerseits Daten zu touristischen Angeboten auf verschiedenen Kanälen zu suchen und zu filtern. Zugleich verfügen sie über detailliertes Wissen, was die Kunden wünschen. Damit können Sie unabhängig von ihrem Standort mit ihren Plattformen Buchungsströme aus verschiedenen Quellmärkten in verschiedene Destinationen steuern.
„Frei verfügbare Daten sind die wichtigste Ressource für die internationale Vermarktung touristischer Leistungen.“
Die Verknüpfung und Zusammenführung von semantisch ausgezeichneten Daten ermöglicht neue Geschäftsmodelle, die über das traditionelle starre Rollenverständnis von Angebot und Nachfrage weit hinausgehen. Komplexe touristische Produkte können viel weiter ausdifferenziert, ihre Komponenten enger miteinander verzahnt werden – hin zu mass customized-Angeboten, die einerseits das individuelle Bedürfnis von Kunden passgenau treffen und andererseits relevante Rahmenbedingungen von der Wettervorhersage über die Verkehrslage bis hin zur aktuellen Zahl der Besucher am POI abbilden. Hier zeichnen sich Chancen für neue Geschäftsmodelle, technologische Innovationen und die Gründung von Start-ups ab. Daraus resultiert unser vitales Interesse an einer erfolgreichen Open Data-Strategie. Diese kommt der ge-samten Tourismuswirtschaft zugute.
Ein erheblicher Teil des globalisierten Reisegeschäfts wird derzeit von Unternehmen aus den USA und China generiert. Damit erhebt sich die Frage, wie wir künftig an der Marktentwicklung post-Corona teilhaben können.
Die jüngste Ausgabe des Open Data Maturity Report, den die Unternehmensberatung Capgemini im Auftrag der EU-Kommission 2020 bereits zum sechsten Mal erstellt hat, sieht signifikante Fortschritte bei der Förderung, Veröffentlichung und Weiterverwendung offener Daten in den europäischen Ländern.
Der Report stellt weiter fest, dass die Corona-Pandemie deutlich gemacht hat, wie wichtig systematisch erfasste und bereitgestellte Daten sind. Entsprechend sei der ‚Open Data-Reifegrad‘ der 27 EU-Länder gegenüber 2019 um zehn Prozentpunkte auf 79 Prozent gestiegen.
Deutschland rangierte in der Open-Data-Reifegradstudie von Capgemini lange nur im Mittelfeld der EU-Staaten, ist 2020 mit Platz acht aber erstmals in die Top Ten aufgestiegen. Spitzenreiter in Europa sind Dänemark, Spanien und Frankreich, gefolgt von Irland, Estland, Polen und Österreich – also auch einige der direkten Wettbewerber als Destinationen auf dem globalen Tourismusmarkt.
Der Ausbruch der Covid 19-Pandemie hat auch in der globalen Tourismusindustrie viele Prozesse beschleunigt. Mehr noch: Fortschritte in der Digitalisierung von Prozessen, von Destinationen und in der Kundenkommunikation sind essenziell, um erfolgreich aus der Krise des weltweiten Tourismus herauszukommen. Zu den Learnings des Krisenjahres 2020 gehört: Das Virus wird nicht von allein verschwinden, aber das intelligente Zusammenspiel analoger Maßnahmen mit digitalen Tools kann helfen, seine Verbreitung zu begrenzen, Reisebeschränkungen abzubauen und grenzüberschreitende Mobilität wiederherzustellen.
Schon im Krisenjahr 2020 haben DMOs ebenso wie touristische Unternehmen eine Vielzahl innovativer Lösungen auf den Weg gebracht, die dem Bedürfnis der Kunden nach Sicherheit und Fürsorge entgegenkommen und zugleich Lust auf das Serviceland Deutschland machen. Das reicht von interaktiven Kommunikationskampagnen über Instrumente zur Besucherlenkung bis zum Safe Travel Ecosystem.
Ich bin überzeugt, wenn intelligente Datennutzung zum Imperativ für die gesamte Branche wird, kann der deutsche Incoming- Tourismus gestärkt aus der Krise in den zunehmenden internationalen Wettbewerb starten.
Petra Hedorfer
Deutsche Zentrale für Tourismus e.V.
Petra Hedorfer ist seit November 2003 Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Zudem bekleidet sie verschiedene Mandate in der Touristik, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Sie ist unter anderem Vorsitzende des Verwaltungsrates des German Convention Bureau, Mitglied im Beirat für Fragen des Tourismus beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und ständiges Mitglied im Board of Directors der European Travel Commission.